Ein Platz zur Archivierung meiner liebsten Gedichte, Kurzgeschichten, Zitate und Songtexte. Ich werde mich bemühen, auch immer den Urheber zu benennen. Aber grundsätzlich gilt: alles, was hier landet, ist nicht auf meinem Mist gewachsen.
Ich hatte Schmerzen und daher wusste ich, dass ich wach war
Ganz allein nur mit der Stille als mein Nachbar
Die Luft war erfüllt mit Nervengift und wie bekifft
Starrte ich auf meine Hand als ich begriff, dass sie zum Stift griff
Lauter Buchstaben entstanden mit Hilfe von Schreibwaren
Was ich schreib war 'n Resultat von einem Schreibwahn
Ich war Teil einer Vision, die aus mir selbst entstand
Irgendetwas lenkt meine Gedanken und dieser Gedanke lenkt meine Hand
Ich hab' soviel geschrieben, aber niemand hört her
Würde der Welt zu gerne sagen, was ich wert wär'
Die Mine brach, aber ich schrieb' weiter. Die nie gesagten Worte rächen sich
Aber die Bleistifte in meinem Gedächtnis, die brechen nicht
Ich hab geschrieben bis meine Finger wund warn'
Weil kein einziger Ton mehr aus meinem Mund kam, denn als du gingst
Ging auch meine Kraft zu reden fort wie ein Knebel in meinem
Mund an diesem Tag wurde mein Leben zu Nebel
Und ich ging auf die Straße mit meinem Marker, es hat niemand gemerkt
Seit diesem Tag hab ich Züge gesprüht und die Wände von Heidelberg gefärbt
Ich hab meinen Namen gemalt, 1000 Mal und mehr
Meist als Meisterwerk, damit es das Selbstbewusstsein stärkt
Ich hab Tags mit nem Stein in die Scheiben von Bushaltestellen gekratzt
Damit mir der Kopf nicht platzt!
Ich hab soviel geschrieben in der Schule auf Tischen, Bänken und Toiletten
Ich wollte rappen aber ich schwieg und schrieb' und ich
Schweig und schreib' über die Grammatik der Farbe Blau
Werte der Worte im im Sprung der Zeit zwischen Mann und Frau
Interpretation, Aufsatz, Diktat, Gedicht
Ein Wort das ich noch nicht geschrieben hab, das gibt es nicht
Aber es gibt drei Worte die sind nur für dich
Ich hab' sie dir nie gesagt und das bereu' ich heute fürchterlich
Ja ich hab's bereut also hab ich meinen Schmerz beschrieben
Du hast mich aufgegeben also hab' ich meinen Schmerz aufgeschrieben
In der Zeit zwischen den Träumen da kann ich schreiben
Exhibitionist gegenüber dem Blatt, ich muss ihm einfach mein Intimstes zeigen
Ich traf so viele Frauen, schrieb' ihre Nummern auf
Aber ich rief nie an weil ich nicht mehr sprechen kann
Ich weiß noch wie nach dem Konzert der Junge zu mir kam
Ich wollt' ihm so viel sagen, ihn warn', aber die Zeit reichte nur für ein Autogramm
Ich hab versagt deswegen sag ich nichts mehr
Als ich leise oben an der Decke lag so leer
Wie ein weißes Blatt flog ich in meinem Zimmer umher
Auf dem Bett bleib' ich liegen und dann beweg' ich mich nie mehr ich dreh den Kopf
Gleich neben mir da liegen sie Blätter mit 1000 intensiven Gedanken
Geformt in Worte wenn man schreibt dann sprechen sie
Da in dem Schuhkarton fließen sie, hörst du sie murmeln
Deinen Namen, ein einziges Wort, das mir im Schlaf den Schweiß auf die Stirn treibt
Wenn man schweigt kann ich hören, welchen Scheiß auch mein Gehirn schreibt
Ich hab soviel geschrieben, aber niemand hat's gehört, oder hast du?
All ihr Lieder, Noten und Worte gebt doch endlich Ruh'
Lasst mich allein. Ich wollte schrein'
Aber vom träumen wurd' ich müde und so schlief ich endlich ein
Wälzte mich wie wild hin und her und fiel vom Bett
Direkt in die Schachtel mit den Texten vor Schreck
Musste ich erkennen, dass ich kein Mensch mehr war
Eingeklemmt zwischen dem A und dem K wurde es mir klar ich war
Der 27 Buchstabe. Das komplette Alphabet stand gegen mich
Sie starrten mich an und lachten mich aus
Die Sätze sagten ich sei aussätzig und so setzten sie mich aus
Und formten sich zu einem Sinn zusammen und ich konnte mein gesamtes Leben lesen
Dann wachte ich auf und tat einfach so, als sein nichts gewesen
Ja, Rap ist ne Religion, das ist klar
Aber wo war Gott als ich alleine mit meinen Reimen war?
Es war viel zu vieles klar, um noch was zu klärn'
Und viel zu vieles wahr, um sich dagegen zu wehren
Und als wären alle Worte gegen mich, schreibe ich und kämpfe ich
Solange bis ich die richtigen Worte find' für dich
Auf die Bettdecke, auf die Tapete und auf meine Haut
Ich hab' in meine Bücher geschaut, sie waren leer, aufnehmen geht nicht mehr
Heut' muss ich alles raus, was ich gelesen hab und gewesen bin
Ich schreib' es hin. Ich hab geschrieben als würde ich deinen Körper zeichnen
Den Stift über die Blätter streichen und zärtlich über deinen Rücken streicheln
Stundenlang hab ich geschrieben, wie Leid es mir tat
Hätt' ich's dir gesagt hätte ich uns viel erspart, zu spät, was ist geblieben
An einem Tag hab' ich stark an dich gedacht, Ich hab' geweint
Gereimt und mit meinen Tränen dir diesen Text geschrieben
Ende der 90er, eine WG in Darmstad-Weiterstadt. S. lässt ein Album laufen, und da ertönt eine schwere Melancholie, Wörter, die direkt ins Herz treffen, und ich weiß sofort, das bin ich. Bis heute ist dies der Song meines Lebens.
Ein kleiner Floh hüpft durch sein Großhirn
Und schaut sich endlich selber zu.
‚Ich kann das aber nicht aushalten‘,
denkt er sich so.
Was hat sich verändert in all dieser Zeit und wo?
War ich dabei überhaupt,
oder habe ich nur zugeschaut
und bemerkt, wie beschäftigt ich war?
Machen wir′s kurz:
Da hilft auch kein Selbstfindungskurs mehr –
nach dem Vergessen.
All diese Jahre.
Mit manchen von ihnen hast du geschlafen,
mit anderen nicht,
Ab und zu hast Du gedacht ‚Es ist auch ganz gut,
dass das passiert, was passiert ist‘ –
Selbstbetrug.
Immer hat sich irgendwas ergeben,
und es gab immer genug zu bereden.
Es gibt Themen genug in deinem eigenen Leben,
und wenn sie einmal ausgehen, gibt es Themenläden.
Hält dich das aus, was dich aufhält?
Gehörst du dazu – und wie hältst du das aus?
Zwischendurch der Beschluss:
‚Wir sind doch eigentlich ganz froh.‘
Doch dann schaust du raus und erkennst:
Die Verhältnisse, die sind nicht so.
Vielleicht bist du aber auch ganz gut darin,
das nicht zu bemerken.
Fließt da überhaupt noch Blut in deine Füße,
in deinen kindischen Gerechtigkeitssinn?
Immer Schwierigkeiten,
immer gerade so zu schaffen,
und so macht man sich auf Dauer halt zum Schwierigkeitenaffen.
Trifft befreundete Primaten in den Kneipen und im Garten.
Wartend – auf die große Sause.
Oder einfach nur, oder besser noch –
die große Pause.
Hält dich das aus, was dich aufhält?
Gehörst du dazu – und wie hältst du das aus?
Zurück zum Haus
zwischen den Gleisen und dem Garten,
in dem die Apfelbäume warten, auf die ich kletterte,
mich vor Erdanziehung rettete, bis jemand rief.
Und ich dann in die Küche lief auf meinen Platz,
den ich verließ wie einen Glauben.
Wie die Klassenzimmer, Sportplätze, Partykeller,
Sicherheitszonen geschaffen von Eltern
und Menschen, die in Luftschutzbunkern wohnen,
in denen Du sonst nichts vermisst außer Dir selbst.
Und sobald du Dich fragst, wer das ist
und ob Du Dir so wie Du bist gefällst,
wird das der Moment, in dem Du das Gebäude verlässt.
Mit ihm einen Berg von Leichen, Deine.
Ich sah meine auf den Schienen bei gestellten Weichen
ein letztes Mal die Köpfe schüttelnd liegen
und fuhr fort und drüber weg
[fuhr fort und drüber weg]
Als unsichtbares Sexsymbol,
das den Gedanken lauter werden lässt,
wenn Dich im Dunkeln mit mir Dein Tastsinn verläßt,
wie man liebe macht,
hat uns nicht nur um den Beischlaf,
sondern auch um den Verstand gebracht.
Und zölibatäre Linguisten, Leer/Lehrkörper und Theisten
haben sich hoffentlich totgelacht.
Und nicht bloß wie sonst ins Fäustchen gemacht,
weil die wollen, dass wir werden sollen wie sie.
Bleibt nur: weiter, weiter, weiter.
Soziale Randgruppen auf dem Weg zu sich selbst.
Die Geschichte ist alt und wird älter
auf Tanzflächen, Tresen, Vinyl und Papier, Zelluloid und bei Dir.
Heissen hier: Ü-Räume; sind Sicherheitszonen in der Realität.
Ein Lebender, der nicht weiß, wie das geht, steht vor dem Haus.
Steht zwischen den Gleisen und dem Garten,
in dem die Apfelbäume warten.
Écoute les orgues
Elles jouent pour toi
Il est terrible cet air là
J’espère que tu aimes
C’est assez beau non
C’est le requiem pour un con
Je l’ai composé spécialement pour toi
A ta mémoire de scélérat
C’est un joli thème
Tu ne trouves pas
Semblable à toi même
Pauvre con
Voici les orgues
Qui remettent ça
Faut qu’t’apprennes par coeur cet air là
Que tu n’aies pas même
Une hésitation
Sur le requiem pour un con
Quoi tu me regardes
Tu n’apprécies pas
Mais qu’est-ce qu’y a là dedans
Qui t’plaît pas
Pour moi c’est idem
Que ça t’plaise ou non
J’te l’rejoue quand même
Pauvre con
Écoute les orgues
Elles jouent pour toi
Il est terrible cet air là
J’espère que tu aimes
C’est assez beau non
C’est le requiem pour un con
Je l’ai composé spécialement pour toi
A ta mémoire de scélérat
Sur ta figure blême
Aux murs des prisons
J’inscrirai moi-même: „Pauvre con“
It’s cold outside
And the paint’s peeling off of my walls
There’s a man outside
In a long coat, grey hat, smoking a cigarette
Now the light fades out
And I’m wondering what I’m doing in a room like this
There’s a knock on the door
And just for a second I thought I remembered you
So now I’m alone
Now I can think for myself
About little deals
And S.U.’s
And things that I just don’t understand
Like a white lie that night
Or a slight touch at times
I don’t think it meant anything to you
So I open the door
It’s the friend that I’d left in the hallway
„Please sit down“
A candle lit a shadow on a wall near the bed
You know I hate to ask
But, are friends electric?
Mine’s broke down
And now I’ve no one to love
So I find out your reason
For the phone calls and smiles
And it hurts
And I’m lonely
And I should never have tried
And I missed you tonight
So it’s time to leave
You see this means everything to me
Und ich denk schon wieder an den Himmel über Shanghai und wie wir ihn verloren haben.
Ich will jeden Tag da sein, wo mich jeder noch als jemand anders kennt.
Ich brauch mehr Platz, ich brauch mehr Geld, ich will meine Stimme im Radio hör’n.
Ich will in deinem Bett sein und fernseh’n, während du neben mir liegst und schläfst.
Und ich will Sterne im Haar.
Und ich will dir die Wahrheit nicht sagen.
Ich will die Farbe meiner Augen verändern können, je nachdem, mit wem ich sprechen muß.
Und ich hätte gerne zwei weiße Pferde, die an mein Fenster kommen und sagen: „Olli geht es gut.“
Ich will den besten Anzug für 30 Mark. Und dass die Neunziger endlich zu Ende sind.
Ich will immer wissen, dass ich zu dir kann. Ich will jede Nacht die Sonne seh’n.
Und ich will Sterne im Haar.
»Kleingeld«, sagte meine Tante, als ich den Obulus auf ihre Zunge legte. »Da, wo ich hingehe, brauche ich bestimmt mehr.«
Es war wirklich ganz wenig Geld. Sie sah genauso aus wie vor ein paar Stunden, nur atmete sie nicht mehr.
»Leb wohl, Tante«, sagte ich.
»Noch bin ich nicht fort!«, fuhr sie mich an. Ich stelle immer ihre Geduld auf die Probe. »In diesem Haus gibt es Zimmer, da habe ich noch nicht einmal die Tür geöffnet!«
Ich wußte nicht, was sie meinte. Unser Haus hat nur zwei Zimmer.
»Der Obulus schmeckt merkwürdig«, sagte sie nach langem Schweigen. »Wo hast du ihn her?«
Ich wollte ihr nicht sagen, daß es ein Talisman war, eine kupferne Ziermünze, kein Geld, obschon es so aussah. Ich hatte das Scheibchen ein Jahr oder noch länger in der Tasche getragen, seit dem Tag, als ich es am Tor zur Ziegelei fand. Ich hatte es natürlich saubergeputzt, aber meine Tante hatte eine empfindliche Zunge, und was sie schmeckte, war Hartschlamm, Hundekot, Ziegelstaub und mein Taschenfutter, dazu das Kupfer, wie trocken Blut. Ich tat so, als hätte ich ihre Frage nicht verstanden.
»Wundert mich, daß du ihn überhaupt hattest«, sagte meine Tante. »Soll mich erstaunen, wenn du nach einem Monat ohne mich noch einen Pfennig in der Tasche hast. Armes Ding!« Sie hätte geseufzt, wenn noch Atem in ihr gewesen wäre. Ich hatte nicht gewußt, daß sie sich noch nach ihrem Tod Sorgen um mich machen würde. Ich begann zu weinen.
»Das ist gut«, erklärte meine Tante befriedigt. »Mach das nur nicht zu lange. Ich gehe jetzt nicht weit. Ich will nur unbedingt herausfinden, in welches Zimmer diese Tür führt.«
Sie sah jünger aus, als sie aufstand, jünger als bei meiner Geburt. Sie ging leichtfüßig durch das Zimmer und öffnete eine Tür, von der ich nichts gewußt hatte.
Ich hörte sie mit erfreuter, überraschter Stimme sagen:
»Lila!« Lila war der Name ihrer Schwester, meiner Mutter, gewesen.
»Du meine Güte, Lila«, sagte meine Tante, »du hast hier doch nicht elf Jahre lang gewartet?«
Was meine Mutter sagte, konnte ich nicht hören.
»Es tut mir sehr leid, daß ich das Mädel alleinlassen muß«, sagte meine Tante. »Ich habe getan, was ich konnte, ich habe mein Bestes gegeben. Sie ist ein braves Ding. Aber was wird nun aus ihr werden!«
Meine Tante weinte nie, und auch jetzt hatte sie keine Tränen, aber ihre Sorge um mich brachte mich aus Schrecken und Selbstmitleid von neuem zum Weinen.
Meine Mutter kam in Gestalt einer Florfliege aus dem neuen Zimmer und sah mich weinen. Tränen schmecken den Lebenden salzig, aber süß den Toten, und anfänglich gelüstet es sie nach Süßem. Das wußte ich damals noch nicht. Ich war nur heilfroh, meine Mutter bei mir zu haben, selbst als winzige Fliege. Die Freude war von Fliegengröße.
Das war alles, was von meiner Mutter im Haus geblieben war, und sie hatte bekommen, was sie wollte, also ging meine Tante weiter.
Das Zimmer, in das sie trat, war groß und ziemlich dunkel, erhellt nur durch ein Oberlicht, wie ein Lagerraum. Entlang einer Wand standen Spinnrocken voll gesponnenem Flachs in einer Reihe, und dort, wo das Licht durch das Dachfenster hereinfiel, war ein Webstuhl. Meine Tante war ihr ganzes Leben lang eine tüchtige Spinnerin und Weberin gewesen, und die Knäuel aus dünnen, gleichmäßigen Fäden, so fein gesponnen, wie nur sie selbst es je gekonnt hatte, verlockten sie sehr; der Webstuhl war angeschert, und dort lag das Schiffchen bereit. Aber die Leinweberei ist eine Kunst, die viel Sorgfalt verlangt. Wenn sie jetzt mit einem Leichentuch anfing, würde sie lange Zeit daran sitzen, und so sehr sie sich ein schönes Leichentuch wünschte, war sie nie eine Person gewesen, die eine Arbeit begann und sie dann unfertig liegen ließ. Daher kam es, daß sie sich weiter Sorgen darüber machte, was aus mir werden sollte. Sie hatte sich aber entschlossen, die Hausarbeit ungetan zu lassen (Hausarbeit wird ja niemals fertig), und räumte jetzt ein, daß sie das Anfertigen ihres Leichentuchs anderen Leuten übertragen mußte. Sie hoffte, mir wenigstens die Auswahl eines sauberen und gutgeflickten Tuchs überlassen zu können. Sie konnte aber nicht widerstehen, das Fadenende eines der Rocken zu ergreifen und ein Stück zwischen Daumen und Zeigefinger herauszuziehen, um den Faden auf Gleichmaß und Festigkeit zu prüfen, und als sie davonging, ließ sie den Faden zwischen ihren Fingern weiterlaufen.
Es war auch gut, daß sie das tat, weil der neue Raum auf einen Korridor hinausging, der viele Eingänge besaß, von denen jeder in andere Säle und Zimmer führte, ein Labyrinth, in dem sie sich ohne den Flachsfaden gewiß verirrt hätte.
Die Zimmer waren sauber, ein wenig staubig und unmöbliert. In einem der Räume fand meine Tante am Boden Spielzeug, ein hölzernes Pferd. Es war grob geschnitzt, die Vorderbeine in einem Stück, die Hinterbeine ebenso, gewissermaßen ein zweibeiniges Pferd mit runden, flachen Augen, das sie zu kennen glaubte, auch wenn sie sich ihrer Sache nicht sicher war.
In einem anderen langen, schmalen Raum standen viele unbenützte Küchengeräte und Töpfe auf einer Theke, zusammen mit drei Hornknöpfen in einer Reihe.
Am Ende eines langen Korridors, in den sie durch ein Aufschimmern oder eine Lichtspieglung am anderen Ende gelockt wurde, stand eine seltsame Maschine. Sie gehörte gewiß nicht zu den Dingen, die meine Tante schon einmal gesehen hatte. In einem kleinen Raum ohne Oberlicht hing ein starker, durchdringender Geruch in der Luft und füllte den Raum wie ein darin gefangenes Lebewesen aus. Meine Tante verließ dieses Zimmer ganz schnell, verstört.
Obwohl ihre Neugier angeregt worden war, weil sie in ihrem Haus alle diese unbekannten Räume gefunden hatte, vermittelten ihre Erkundungsgänge und die Stille ein Gefühl der Bedrückung und Unbehaglichkeit. Sie blieb kurz vor der Tür des Zimmers mit dem starken Geruch stehen, um einen Entschluß zu fassen. Das dauerte bei ihr nie lange. Sie ging an dem Faden zurück und spulte ihn mit jedem Schritt an den Fingern ihrer linken Hand auf. Dabei mußte man mehr aufpassen als beim Entrollen, und als sie den Blick von einem Fadengewirr löste, sah sie sich verwundert in einem Raum, durch den gekommen zu sein sie sich nicht entsann, obwohl sie ihn kaum hätte durchqueren können, ohne es zu merken, weil er sehr groß war. Die Wände waren aus einem wunderschönen, feinkörnigen Stein von hellgrauer Farbe, in den bestimmte Figuren, wie Astrologenzeichnungen der Sternbilder, und feine Linien, die Sterne oder Sterngruppen miteinander verbanden, in Golddraht eingelegt waren. Die Decke war hell und hoch, der Boden aus abgewetztem, dunklem Marmor. Wie eine Kirche, dachte meine Tante, aber nicht eine religiöse Kirche (das dachte sie jedenfalls). Die Muster an den Wänden glichen den Illustrationen in Lehrbüchern und der Raum selbst dem Lesesaal der riesigen Bibliothek in der Stadt; hier gab es keine Bücher, aber der Ort war majestätisch und von Ruhe erfüllt; er besaß eine gefaßte Stille, die für den Geist meiner Tante sehr angenehm war. Sie hatte das Gehen satt und beschloß, sich dort auszuruhen.
Sie setzte sich, da es keine Möbel gab, auf den Boden in der Ecke nah der Tür, zu welcher der Faden sie geführt hatte. Meine Tante hatte gern eine Wand im Rücken. Seit den Invasionen fühlte sie sich in offenem Gelände nicht wohl und blickte ständig über die Schulter. Aber wer kann mir jetzt noch etwas tun? dachte sie, als sie sich setzte. Genau weiß man es allerdings nie, sagte sie sich.
Die Linien aus Golddraht in den Wänden leiteten ihren Blick, während sie dasaß. Manche der Figuren, die sie bildeten, schienen ihr bekannt. Sie kam auf den Gedanken, daß diese Figuren oder Muster ein Schemaplan des Labyrinths waren, in dem sie sich befand - die Drähte stellten Gänge dar, die Sterne Zimmer; oder die Sterne mochten die Eingänge zu den Räumen sein, deren Wände nicht dargstellt waren. Sie konnte mit ziemlich großer Gewißheit den ersten Korridor zum Raum mit den Spinnrocken zurückverfolgen, aber auf der anderen Seite davon, wo der alte Teil unseres Hauses hätte sein sollen, setzten sich die Muster fort und hatten viel mehr Ähnlichkeit mit den vertrauten Sternbildern am Frühwinterhimmel. Sie war keineswegs sicher, den Plan wirklich zu verstehen, aber sie befaßte sich weiterhin damit und verfolgte in ihren Gedanken die Linien von Stern zu Stern, bis sie ihren Weg zu erkennen begann. Da stand sie auf und trat den Rückweg an, immer dem Flachsfaden nach, den sie durch die Finger gleiten ließ, bis sie zurückkam.
Da war ich, im selben Zimmer, und weinte immer noch. Meine Mutter war fort. Florfliegen warten Jahre, bis sie geboren werden, aber sie leben nur einen einzigen Tag. Die Leute des Leichenbestatters verabschiedeten sich gerade, und ich mußte mit ihnen fort, also ging meine Tante auch auf ihr Begräbnis, obwohl sie das Haus eigentlich nicht verlassen wollte. Sie wollte den Fadenknäuel mitnehmen, aber als sie die Schwelle überschritt, riß der Faden. Ich konnte sie halblaut schimpfen hören, wie sie es immer tat, wenn sie einen Faden abbriß oder Zucker verschüttete - »Verflixt!«, im Flüsterton.
Wir hatten beide nichts von dem Begräbnis. Meine Tante geriet in Panik, als man die Erde ins Grab zurückzuschaufeln begann. Sie rief laut: »Ich kann nicht atmen! Ich kann nicht atmen!« - was mich so erschreckte, daß ich glaubte, das hätte ich gesagt, ich sei am Ersticken. Ich stürzte hin. Die Leute mußten mir aufhelfen und mich nach Hause bringen. Ich war zwischen ihnen so verwirrt und schämte mich dermaßen, daß ich meine Tante aus den Augen verlor. Eine der Nachbarinnen, die früher nie besonders freundlich zu uns gewesen war, empfand Mitleid mit mir und behandelte mich mit großer Güte.Sie sprach so verständig zu mir, daß ich den Mut faßte, sie zu fragen: »Wo ist meine Tante? Wird sie zurückkommen?« Aber sie wußte es nicht und sagte nur Dinge, die mich trösten sollten. Ich bin nicht so gescheit wie die meisten Leute, aber daß es für mich keinen Trost gab, wußte ich.
Die Nachbarin vergewisserte sich, daß ich für mich selbst sorgen konnte, und an diesem Abend schickte sie eines ihrer Kinder herüber, das in einem Topf Abendessen für mich brachte. Ich aß es, und es schmeckte sehr gut. Ich hatte nichts gegessen, während meine Tante in dem anderen Teil des Hauses gewesen war.
Nachts, nach Dunkelwerden, legte ich mich ganz allein ins Schlafzimmer. Zuerst fühlte ich mich wohl und munter, was am Essen lag, und ich tat so, als schliefe meine Tante mit mir im Zimmer, so, wie es immer gewesen war. Dann bekam ich Angst, und in der Dunkelheit wuchs sie an.
Meine Tante kam mitten im Zimmer durch den Boden herauf. Die roten Fliesen wölbten sich und brachen auseinander. Ihr Haar und ihr Kopf schoben sich durch die Fliesen herauf, dann ihr Körper. Sie sah ganz dunkel aus, wie Erde, und war viel kleiner als früher.
»Laß mich sein!« sagte sie.
Ich war zu entsetzt, um sprechen zu können.
»Laß mich gehen!« sagte meine Tante. Aber es war nicht wirklich meine Tante, nur ein alter Teil von ihr, der aus dem Friedhof unter der Erde herausgekommen war, weil ich sie herbeigesehnt hatte. Dieser Teil von ihr gefiel mir nicht, ich wollte ihn auch nicht dort haben. Ich rief: »Geh fort! Geh zurück!« und verbarg mein Gesicht in den Armen.
Meine Tante gab ein leises Knarren von sich, wie ein geflochtener Korb. Ich verbarg meine Augen so lange, daß ich beinahe einschlief. Als ich hinsah, war da niemand oder nur eine dunklere Stelle in der Luft, und die Fliesen waren nicht auseinandergebrochen. Ich schlief ein.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, stand die Sonne im Fenster, und alles war gut, aber ich konnte nicht über die Stelle im Boden gehen, wo meine Tante durch die Fliesen heraufgekommen war.
Nach dieser Nacht wagte ich nicht mehr zu weinen, weil das Weinen sie zurückholen mochte, um das Süße zu schmecken oder mich auszuschimpfen. Aber seit sie tot und begraben war, fühlte ich mich einsam im Haus. Ich wußte nicht, was ich ohne sie tun sollte. Die Nachbarin kam und sprach davon, Arbeit für mich zu finden, gab mir wieder zu essen, aber am nächsten Tag erschien ein Mann, der vorgab, von einem Gläubiger geschickt zu sein. Er nahm den Kleiderschrank und das Bettzeug mit. Später, am Abend dieses Tgas, kam er wieder, weil er gesehen hatte, daß ich allein gewesen war. Diesmal hatte ich die Tür abgesperrt. Er sprach zuerst schmeichelnd und wollte mich dazu bringen, daß ich ihn hereinließ, dann begann er mit leiser Stimme zu wiederholen, er werde mir etwas tun, aber ich sperrte die Tür nicht auf und gab auch keine Antwort.
Am nächsten Tag kam eine andere Person, aber ich hatte die Bettstatt an die Tür geschoben. Es kann das Kind der Nachbarin gewesen sein, aber ich wagte nicht hinauszusehen. Ich fühlte mich sicher, wenn ich im Hinterzimmer blieb. Andere Leute kamen und klopften, aber ich antwortete nie, und so gingen sie wieder.
Ich blieb in dem rückwärtigen Raum, bis ich endlich die Tür sah, durch die meine Tante jenem Tag gegangen war. Ich trat hin und öffnete. Ich war überzeugt davon, sie würde da sein. Aber das Zimmer war leer. Der Webstuhl war verschwunden, die Rocken waren fort, niemand war da.
Ich ging in den Korridor hinter dem Zimmer, aber nicht weiter. Ich hätte mich allein nie durch alle diese Säle und Zimmer hindurchfinden oder das Muster der Sterne verstehen können. Ich hatte solche Angst und fühlte mich so elend, daß ich zurückging und mich verkroch.
Meine Tante kam, um mich zu holen. Sie war verärgert. Ich stelle stets ihre Geduld auf die Probe. Sie sagte nur: »Komm mit!« Und sie zerrte mich an der Hand mit. Einmal sagte sie: »Schäm dich!« Als wir das Flußufer erreichten, sah sie mich mit strengem Blick von oben bis unten an. Sie wusch mein Gesicht mit dem dunklen Wasser dieses Flusses und preßte mein Haar mit den Handflächen an meinen Kopf. Sie sagte: »Das hätte ich mir denken können.«
»Es tut mir leid, Tante«, sagte ich.
»Ja freilich«, sagte sie. »Jetzt komm mit. Mach schon!«
Denn das Boot war über den Fluß gekommen und machte am Steg fest. Wir gingen im Halbdunkel durch das Schilf zum Steg hinunter. Die Sonne war schon untergegangen, und man sah weder Mond noch Sterne. Es blies kein Wind. Der Fluß war so breit, daß ich das andere Ufer nicht sehen konnte.
Meine Tante feilschte mit dem Fährmann. Ich überließ das ihr, weil mich die Leute immer übervorteilten. Sie hatte den Obulus von ihrer Zunge genommen und redete auf ihn ein. »Meine Nichte, siehst du nicht, wie es steht? Natürlich hat man ihr das Fährgeld nicht gegeben! Sie kann nichts dafür! Ich begleite sie, um für sie zu sorgen. Hier ist das Fährgeld. Ja, für uns beide. Nein, kommt nicht in Frage«, und sie zog ihre Hand zurück, nachdem sie ihm das Kupferstück nur gezeigt hatte. »Nicht, bis wir beide sicher übergesetzt haben!«
Der Fährmann blickte finster, begann aber die Leine zu lösen.
»So komm!« sagte meine Tante. Sie stieg ins Boot und hielt mir die Hand hin. Und da folgte ich ihr.
Bemerkung: Riley fuhr einmal betrunken Auto und verursachte einen Unfall, bei dem eine junge Frau ums Leben kam. - Erin hatte gerade eine Fehlgeburt.
Erin: "Was passiert, wenn du stirbst?"
Riley: "Wenn ich sterbe, hört mein Körper auf zu funktionieren. Einfach Schluss. Auf einmal oder allmählich hört meine Atmung auf, mein Herz hört auf zu schlagen - klinischer Tod. Und etwas später, so etwa 5 Minuten später, beginnen meine Gehirnzellen zu sterben. Aber in der Zwischenzeit, dazwischen, setzt mein Gehirn vielleicht eine Flut von DMT frei. Das ist die psychedelische Droge, die freigesetzt wird, wenn wir träumen. Also träume ich. Ich träume heftiger als ich es jemals getan habe, denn jetzt kommt alles, dieser letzte Schub DMT, alles auf einmal. Und meine Neuronen brennen und ich sehe dieses Feuerwerk aus all meinen Erinnerungen und Vorstellungen und ich bin einfach auf einem Trip, auf einem total krassen Trip, weil mein Verstand die Erinnerungen durchwühlt, Langzeit- und Kurzzeiterinnerungen. Und die Träume vermischen sich mit den Erinnerungen und - eine letzte Show. Der Traum, der alle Träume beendet, ein letzter großer Traum, während mein Verstand die verdammten Raketensilos entleert und dann war's das. Meine Gehirnaktivität erlischt und es ist nichts mehr von mir übrig. Kein Schmerz, keine Erinnerung, kein Bewusstein, dass ich jemals existierte, dass ich jemanden verletzt habe - jemanden getötet habe. Und alles ist so, wie es vor mir war. Und die Elektrizität entweicht aus meinem Gehirn, bis es nur noch totes Gewebe ist. Fleisch. Vergessen.
Und all die anderen kleinen Dinge, die mich ausmachen, die Mikroben und Bakterien und die Milliarden anderer kleinen Dinge, die auf meinen Wimpern und in meinen Haaren und in meinem Mund und auf meiner Haut und in meinem Darm und überall sonst noch leben, die leben weiter. Und essen. Und ich erfülle einen Zweck. Ich nähre das Leben. Ich bin auseinander gebrochen und die kleinsten Teile von mir sind einfach recyclet und ich bin an Milliarden von anderen Orten. Und meine Atome sind in Pflanzen und Käfern und Tieren und ich bin wie die Sterne, die am Himmel sind. Einen Moment da und dann einfach über den gottverdammten Kosmos verstreut.
Jetzt du. Was passiert, wenn du stirbst?"
Erin: "Soll ich für mich sprechen?"
Riley: "Ja, sprich für dich."
Erin:" Nein. Nicht für mich. Ich bin heute nicht gestorben.
Sie war niemals wach. Als sie in diesen kleinen Körper hinunter kam, diesen sich gerade bildenden kleinen Körper, schlief sie. Zu träumen war alles, was sie kannte. Sie hat immer nur geträumt, sie hatte nicht mal einen Namen. Und dann in ihrem Schlaf hat dieser perfekte kleine Geist sich einfach erhoben. Weil Gott sie nicht geschickt hat, um durch das Leben auf der Erde zu leiden, nein. Dieser Geist, diese besondere kleine Seele - Gott hat sie hier nur zum Schlafen runtergeschickt. Nur ein kleines Nickerchen, ein kurzer Traum. Und dann hat er sie wieder zurückgerufen. Also ging sie zurück. Genau so, wie sie hinunterschwebte, stieg sie über die Erde auf. Vorbei an allen Seelen in der Atmosphäre und allen Sternen am Himmel und dann in ein wundervolles helles Licht. Und dann, zum ersten Mal, ist sie aufgewacht. Sie ist eingehüllt in ein Gefühl der Liebe. Reine, überwältigende Liebe, was auch sonst. Sie ist rein. Sie hat nie gesündigt. Sie hat niemals ein Lebewesen verletzt, nicht mal ein Insekt.
Und sie ist nicht allein. Sie ist zuhause. Und da sind Leute, und sie weiß es nicht, aber sie sind ihre Familie. Ihr Großvater, ihr Urgroßvater, und sie lieben sie, sie geben ihr einen Namen. Und dann, wenn Gott sich herabbeugt und ihren Kopf küsst, in der Sekunde, in der er ihren Namen sagt, wird sie erwachsen. Ganz plötzlich. Sie ist perfekt. So, wie sie an ihrem besten Tag auf der Erde gewesen wäre. Ihr perfektes Alter, der Gipfel ihrer selbst. Sie erzählen ihr von ihrer Mutter hier unten auf der Erde, und dass ich bald da sein werde. Und sie ist glücklich, und nichts als Freude bis in alle Ewigkeit. Sie wird geliebt. Und sie ist nicht allein.
Und das meinen wir, wenn wir Himmel sagen. Keine Villen, keine Flüsse aus Diamanten, keine Wolken oder Engelsflügel. Du wirst geliebt. Und du bist nicht allein. Das ist Gott. Das ist der Himmel. Und deshalb ertragen wir das alles auf diesem großen blauen traurigen Felsen. Ich komme da früh genug hin. Und ich werde meinen Vater sehen. Und meine Großmutter. Und ich werde meine kleine Tochter sehen, und sie wird glücklich und in Sicherheit sein. Und ich werde so froh sein, sie zu treffen."
Riley: "Was denkst du, was passiert, wenn wir sterben, Erin?"
Erin: "Soll ich für mich selbst sprechen?"
Riley: "Ja, sprich für dich selbst."
Erin: "Mich selbst. Mich selbst. Das ist das Problem. Das ist das große Problem an der ganzen Sache. Dieses Wort: Selbst. Das ist nicht das Wort. Das ist nicht richtig, das ist nicht ... das ist es nicht. Wie konnte ich das vergessen? Wann habe ich das vergessen?
Der Körper stoppt eine Zelle nach der anderen. Aber das Gehirn feuert weiter diese Neuronen ab. Kleine Blitzstrahlen, wie ein Feuerwerk im Inneren, und ich dachte, ich würde Verzweiflung oder Angst verspüren, aber ich fühle nichts davon. Nichts. Weil ich zu beschäftigt bin. In diesem Moment bin ich zu beschäftigt, mit Erinnerungen. Natürlich. Ich erinnere mich, dass jedes Atom in meinem Körper in einem Stern geschmiedet wurde. Diese Materie, dieser Körper ist letztendlich überwiegend nur leerer Raum. Und feste Materie, das ist nur Energie, die sehr langsam vibriert. Und es gibt kein Ich. Das gab es nie. Die Elektronen meines Körpers verteilen sich und tanzen mit den Elektronen des Bodens unter mir. Und mit der Luft, die ich nicht länger atme. Und ich erinnere mich: es gibt keinen Punkt, wo all das endet und ich anfange. Ich erinnere mich, ich bin Energie, nicht Gedächtnis, nicht Selbst. Mein Name, meine Persönlichkeit, meine Entscheidungen, das kam alles mach mir. Ich war vor ihnen und ich werde danach sein. Und alles andere sind Bilder, die auf dem Weg entstanden sind. Vergängliche kleine Kurzträume, die auf das Gewebe meines sterbenden Hirns gedruckt wurden. Und ich bin die Blitze, die dazwischen zucken, ich bin die Energie, die die Neuronen feuert. Und ich kehre zurück. Nur durch Erinnerungen kehre ich nach Hause zurück. Und es ist, als würde ein Wassertropfen zurück ins Meer fallen, von dem er immer ein Teil war. Alle Dinge - ein Teil. Alle von uns - ein Teil. Du, ich und meine kleine Tochter, meine Mutter und mein Vater - alle, die jemals waren, jede Pflanze, jedes Tier, jedes Atom, jeder Stern, jede Galaxie, alles. Es gibt mehr Galaxien im Universum als Sandkörner am Strand, und das meinen wir damit, wenn wir Gott sagen. Das Eine. Der Kosmos. Und seine endlosen Träume.
Wir sind der Kosmos, der von sich selbst träumt. Es ist einfach ein Traum, den ich für mein Leben halte. Jedes Mal. Aber ich vergesse ihn, so wie immer. Ich vergesse meine Träume immer. Aber jetzt, in dem Bruchteil dieser Sekunde, in dem Moment, in dem ich mich erinnere, in dem Augenblick, in dem ich mich erinnere, verstehe ich alles zugleich. Es gibt keine Zeit. Es gibt keinen Tod. Das Leben ist ein Traum, ein Wunsch. Der wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder unendlich oft gewünscht wird. Und ich bin alles davon. Ich bin alles, ich bin alle. Ich bin, das ich bin."
I
O daß wir unsere Ururahnen wären.
Ein Klümpchen Schleim in einem warmen Moor.
Leben und Tod, Befruchten und Gebären
glitte aus unseren stummen Säften vor.
Ein Algenblatt oder ein Dünenhügel,
vom Wind Geformtes und nach unten schwer.
Schon ein Libellenkopf, ein Möwenflügel
wäre zu weit und litte schon zu sehr.
II
Verächtlich sind die Liebenden, die Spötter,
alles Verzweifeln, Sehnsucht, und wer hofft.
Wir sind so schmerzliche durchseuchte Götter
und dennoch denken wir des Gottes oft.
Die weiche Bucht. Die dunklen Wälderträume.
Die Sterne, schneeballblütengroß und schwer.
Die Panther springen lautlos durch die Bäume.
Alles ist Ufer. Ewig ruft das Meer –
Die Menschheit auf ihrer kleinen Kugel
geht schlafen, erhebt sich und arbeitet
und manchmal wünscht sie sich Gefährten auf dem Mars
Die Marsmenschen auf ihrer kleinen Kugel
was tun sie? ich weiß nicht
(ob sie schlafafen, rebeben und rabeiten?)
aber manchmal wünschen sie sich Gefährten auf der Erde
das steht völlig außer Zweifel
Die allgemeine Gravitation
das ist die Kraft der sich anziehenden Einsamkeiten
Das Weltall ist gekrümmt
darum streben alle zueinander
Das Weltall dehnt sich rasend schnell aus
darum sind wir alle ruhelos
In der Einsamkeit von zwei Milliarden Lichtjahren
mußte ich unversehends niesen
Du kommst zurück zum Garten, unter meine Feige,
und deine Seele schwirrt im hohen
Gerüst der Blumen, so wie eine Biene,
die Wachs einsammelt für die Engelskerzen.
Du kommst zurück, da wo sich die Verliebten sehn,
zum Flüstern an den Fenstergittern.
Das Düster meines Blicks wird sich erheitern,
und deine Braut wird mit den Bienen streiten,
ob ihnen oder ihr dein Blut gehört.
Dein Herz jedoch, den Samt, der schon verknittert,
ruf mit der Habgier meiner Liebe ich
zu einem Feld von schaumigen Mandelblüten.
Beim Mandelbaum mit seinen Flügelseelen
aus Rosen wie von Rahm wart ich auf dich,
wir haben von so viel zu reden,
mein Freund, mein einziger! Du und ich!
Nafikare necesse est.
Meine längste Braut war Alwine.
Ihrer blauen Augen Gelatine
Ist schon längst zerlaufen und verwest. –
Alwine sang so schön das Lied:
„Ein Jäger aus Kurpfalz“.
Wie Passatwind stand ihr der Humor.
– Sonntags morgens wurde sie bestattet
In der Heide, wo kein Bäumchen schattet,
Du auch ihre Unschuld einst verlor.
Donnerstags grub ich sie wieder aus.
Da kamen mir schon ihre Ohrlappen
So sonderbar vor.
Freitags grub ich sie wieder ein.
Niemand sah das in der stillen Heide. –
Montags wieder aus. Von ihrem Kleide,
Das man ihr ins Grab gegeben hatte,
Schnitt ich einer Handbreit gelber Seide,
Und die trägt mein Bruder als Krawatte. –
Gruslig wars: Bei dunklem oder feuchten
Wetter fing Alwine an zu leuchten.
Trotzdem parallel zu ihr verweilen
Wollt ich ewiglich und immerdar.
Bis sie schließlich an den weichen Teilen
Schon ganz anders und ganz flüssig war.
Aus. Ein. Aus; so grub ich viele Wochen.
Doch es hat zuletzt zu schlecht gerochen.
Und die Nase wurde blauer Saft,
Wo drin lange Fadenwürmer krochen. –
Nichts für ungut: Das war ekelhaft. –
Und zuletzt sind mir die schlüpfrigen Knochen
Ausgeglitten und in lauter Stücke zerbrochen.
Und so nahm ich Abschied von die Stücke.
Ging mit einem Schoner nach Iquique,
Ohne jemals wieder ihr Gebein
Auszugraben. Oder anzufassen.
Ein Staubbaum wächst
Ein Staubwald überall wo wir gegangen
Und diese Staubhand weh! rühr sie nicht an!
Rings um uns steigen Türme des Vergessens
Türme die nach innen fallen
Aber noch bestrahlt von deinem orangenen Licht!
Ein Staubvogel fliegt auf
Die Sage unsrer Liebe laß ich in Quarz verwahren
Das Gold unsrer Träume in einer Wüste vergraben
Der Staubwald wird immer dunkler
Weh! Rühr diese Staubrose nicht an!
Du drehst an der Mühle
Und leierst dich aus
Und du kannst nicht mehr
Weil du glaubst du bist zu schlecht
Vielleicht hast du recht
Es hat niemand behauptet
Du hättest eine Chance
Und wenn war es vielleicht gelogen
Aber das weißt du auch
Es ist ein alter Brauch
Nur du darfst nicht vergessen
Zu essen
Ich bin aufgewacht
Ich wollte sehen daß du schläfst
Auf die väterliche Tour
Und jetzt will ich daß du dich bewegst
Weg von der Stelle wo das Loch ist
Daß dich auffrißt
Und sonst nichts
Außer Möglichkeiten
Und ab und zu ein Gedanke an
Die Vergänglichkeit
Arm in Arm
Ist ein Kreis
Und kein Ausweg
Und du darfst nicht vergessen
Zu essen
Eine Kaugummiwelt
Die dich nicht wirklich
Sondern so tut als ob
Sie dich zusammenhält
Und sie verklebt dir den Magen
Und du mußt dich übergeben
Und kotzt das bißchen Leben in die Schüssel
Soweit so gut mal überlegen…
Ich war im Auto, hab die Ampeln angeschrien
Und gewusst, dass das keine Lösung ist
Ich ging zum Arzt, er gab mir einen gelben Schein
Und sagte, dass das aber keine Lösung ist
Ich hab versucht mir meine Kräfte einzuteilen
Und vor lauter Ruhe gar nichts mehr gemacht
Liegengebliebenes wollte ich aufholen
Und ich lief am Ende meinem Eisberg doch nur hinterher
Ich stopfte Essen, Rauch und Menschen in mich rein
Und ich lernte, dass das keine Lösung ist
Und mein Vermögen hab ich einfach so zum Fenster rausgeworfen
Und begriffen, dass das keine Lösung ist
Die Rituale der Idioten wollte ich im Keim ersticken
Mit dem Finger auf sie zeigen, um kein Idiot zu sein
So bin ich abends oft zu Haus geblieben
Und wollte trotzdem alle Menschen lieben
Probleme meiner Freunde wollte ich für sie lösen
Und am Ende war ich Teil des Problems
Ich wollte bei mir sein und niemandem mehr nützlich sein
Und was ich dann erfuhr, war die Rache des Systems
Und dich hab ich benutzt,
Weil du schwächer bist als meine letzte Freundin
Für die ich keine Lösung war
Wir haben versucht zu tun, als ob wir nur in's Bett gehen
Und du hast gemerkt, dass das keine Lösung ist
Sprich nicht drüber, außer wenn dich jemand fragt
Leb so, dass es alle wissen wollen
Die Gedanken der Menschen sind nur ein Hauch
Gib mir nicht was ich mir wünsche, sondern was ich brauch
Ich hab an Gestern nicht gedacht und nicht an Morgen
Es ist Nacht, ich steh am Fenster
Und für einen Augenblick leb ich im Jetzt
Dem Hass der Welt und ihrer Dummheit mit
Zynismus zu begegnen hat zum Leben nicht gereicht
Allein das Schöne sehen ging auch nicht
Denn es gibt zu viele Dinge, die nichts Schönes in sich tragen
Ich hab mich angestrengt im Jahreszeitenrythmus zu pulsieren
Und dann fiel ich in Zeitlupe aus der Zeit
Und meine Smartphone-Freunde rieten mir am Puls der Zeit zu sein
Und ich wäre beinahe aus mir selber rausgefallen
Ich hab die Themen wie Zitronen ausgepresst
Und die Menschen wollt ich umgestalten
Ich hab versucht das große Ganze zu begreifen
Und mich doch mit tausend Fragen aufgehalten
Und einer den ich noch von früher kenn, der sagte:
"Lass die Menschen endlich bleiben wie sie sind
Benutz sie nicht als weiße Wand für deine Unzufriedenheit
Sei ein Mann und sei kein Kind."
Das kam mir einfach vor und mein Gewissen wurde schlecht
Und ein Gedanke sagte: "Mach es allen recht."
Ich ging nach Hause, um mich neu zu überdenken
Und im besten Fall mich nochmal zu erfinden
Und ich verlief mich in der Stadt
In der ich Jahre lang schon lebe
Und mein letztes Geld gab ich einem Blinden
Der darauf sagte, ihm wäre die Unsterblichkeit geschenkt
Doch ich wusste, dass das keine Lösung ist
Es wurde Abend, Nacht und Morgen, ich blieb wach die ganze Zeit
Und ich wusste, dass das keine Lösung ist
(2x) Sprich nicht drüber, außer wenn dich jemand fragt
Leb so, dass es alle wissen wollen
Die Gedanken der Menschen sind nur ein Hauch
Gib mir nicht was ich mir wünsche, sondern was ich brauch
Ich hab an Gestern nicht gedacht und nicht an Morgen
Es ist Nacht, ich steh am Fenster
Und für einen Augenblick leb ich im Jetzt
Sieben Septillionen Jahre
zählte ich die Meilensteine am Rande der Milchstrasse.
Sie endeten nicht.
Myriaden von Aeonen
versank ich in die Wunder eines einzigen Thautröpfchens.
Es erschlossen sich immer neue.
Mein Herz erzitterte!
Selig ins Moos
streckte ich mich und wurde Erde.
Jetzt ranken Brombeeren
über mir,
auf einem sich wiegenden Schlehdornzweig
zwitschert ein Rotkehlchen.
Aus meiner Brust
springt fröhlich ein Quell,
aus meinem Schädel
wachsen Blumen.
Nicht schäme dich / du saubere Melinde /
Daß deine zarte reinligkeit
Der feuchte mond verweist in eine binde /
Und dir den bunten einfluß dräut.
Der grosse belt hegt ebb‘ und flut /
Was wunder / wenns der mensch der kleine thut.
Die röthligkeit bei deinen bunten sachen
Hat niemahls deinen schooß versehrt.
Wie muscheln sich durch purpur theuer machen /
So macht dein schnecken-blut dich werth.
Wer liebt ein dinten-meer wohl nicht /
Weil man daraus corallen-zincken bricht?
Nur einmahl bringt das gantze jahr uns nelcken /
Dein blumen-busch bringts monatlich /
Dein rosen-strauch mag nicht verwelcken /
Sein dorn der hält bey dir nicht stich /
Denn was die sanfften blätter macht /
Das ist ein thau von der johannis-nacht.
Kanst du gleich nicht die lenden hurtig rühren /
Lobt man dich doch im stille stehn /
Der augenblau wird leichtlich sich verlieren /
Denn wirst du seyn noch eins so schön.
Man sammlet / spricht die gantze welt /
Viel besser frucht / wenn starcke blüte fällt.
Laß mich darum doch keine fasten halten /
Ein könig nimmt den schranck zwar ein /
Doch muß er fort / wann sich die wasser spalten /
Der geist muß ausgestossen seyn.
Man geht / wie iedermann bekandt /
Durchs rothe meer in das gelobte land.
Ein dicker Junge spielt mit einem Teich.
Der Wind hat sich in einem Baum gefangen.
Der Himmel sieht verbummelt aus und bleich,
Als wäre ihm die Schminke ausgegangen.
Auf lange Krücken schief herabgebückt
Und schwatzend kriechen auf dem Feld zwei Lahme.
Ein blonder Dichter wird vielleicht verrückt.
Ein Pferdchen stolpert über eine Dame.
An einem Fenster klebt ein fetter Mann.
Ein Jüngling will ein weiches Weib besuchen.
Ein grauer Clown zieht sich die Stiefel an.
Ein Kinderwagen schreit und Hunde fluchen.
Komm, ich will mich ausziehn!
Das Licht ist schon fort, und ich bin
meiner Kleider so müde.
Zieh mich aus, damit sie glauben
ich sei gestorben, denn nackt
schlaf ich die ganze Nacht,
während sie meinen Schlaf bewachen.
Denn morgen früh, ganz früh,
will ich mein Nackt ausziehen
und in einen Fluß gehn und mich baden,
während Kleid mit Kleide sie
für immer dann verwahren.
Komm, Tod, ich bin ein Kind
und will ausgezogen werden,
denn das Licht ist schon fort und ich
bin meiner Kleider so müde.
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